Wenn einem weder Alphatier noch Sixpack serviert werden - und es trotzdem kräftig prickelt
Rezension von "Das Geheimnis von Pinewood Crest" von Tess Tyler in Text 📝 [↓] & Ton 🔊 [ ↳ ]
[unbezahlte Werbung]
>>>INHALT
In der Ehe von Edna und Mason kriselt es: Ihr Kinderwunsch bleibt unerfüllt und die beiden leben sich immer weiter auseinander. Edna mit ihrer praktischen, zupackenden Art empfindet ihren nur zögernd handelnden Mann häufig als Belastung - und Mason hält sich, bei aller Liebe für Edna, weil er sich seiner Defizite bewusst ist, allmählich für unzumutbar.
Völlig unerwartet nimmt Ednas Leben eine dramatische Wendung, denn Mason verschwindet spurlos. Voll Sorge und Angst, getrieben von einer für sie überraschenden, weil neu erwachten Wertschätzung für ihren vermissten Mann, begibt sie sich auf die Suche nach ihm. Sie stößt dabei auf ein lang gehütetes Familiengeheimnis. Edna beschleicht angesichts der Dinge, die sie allmählich über Mason und seine Familie herausfindet, der Verdacht, dass er planen könnte, sich das Leben zu nehmen. Sie steht am Ende unter starkem Zeitdruck, ihn zu finden, bevor ein Unglück geschieht ...
>>> KEIN ALPHAMÄNNCHEN …?!
Beispielsweise Sports Romance kommt stets mit echten Alphatieren daher, wenn auch manchmal mit einer weichen Seite, so doch stets mit einem sensationellen Six- bis Eightpack. Ja, zugegeben, der Typus wirkt attraktiv. Immer. So zu reagieren ist frau nun einmal angeboren, denn sie will den besten Vater & Jäger, der die größtmögliche Sicherheit bieten kann.
Tess Tyler alias Ute Kunz entwirft in ihrem Roman "Das Geheimnis von Pinewood Crest" einen vollkommen anderen Typus für ihre männliche Hauptfigur: Sowohl Masons Tante wie auch seine Frau Edna betrachten ihn gern wie ein Kind, das einer gewissen Fürsorge und Führung bedarf. Er selber sieht sich in seiner Kompliziertheit, seiner oft ungerichteten Art, sein Leben zu führen und sich in Nebensächlichkeiten zu verlieren bzw. zu verzetteln sowie angesichts seiner Zwangshandlungen, als unerträglich an – vor allem für seine Frau Edna.
Zitat: "Er [Mason] litt unter der Zwangserkrankung, gepaart mit einer selbst diagnostizierten manischen Depression und chronischer Angst. Sein Schicksal schien vorbestimmt zu sein, denn er wollte keine bunten Pillen schlucken, um sein eigenes Seelenleben ertragen zu können und im schlimmsten Fall am Ende jemand zu sein, der er nicht war."
Was Mason nicht weiß, weil in dieser Beziehung, wie auch in seiner Familie, nicht kommuniziert wird und man sich nicht über die wirklich wichtigen Dinge sowie Fragen austauscht: Gerade die Tatsache, dass er seine Frau nicht wie ein Höhlenmensch gepackt und ins gemeinsame Heim abgeschleppt hat, sondern dass Edna vielmehr meint, sie habe Mason erbeutet, macht für sie einen ganz entscheidenden Unterschied aus, der ihren Mann positiv von anderen Kerlen abhebt.
Zitat: "Mason schätzte sich glücklich, solch eine Frau gefunden zu haben. Er hatte nicht einmal suchen müssen, sie hatte vielmehr ihn ausgesucht."
Zitat: "Immer noch fragte sich Mason, was Edna an ihm fand. Sie hatte einmal, ganz am Anfang ihrer Beziehung, gesagt, sie habe sich in sein Wesen verliebt. Sie habe sich immer als Beute gefühlt, doch bei Mason sei es anders. Sie habe es nicht mehr gemocht, dass die Männer sie immer nur begehrten. Mason sei ihre Beute. Die beste Beute, die sie sich vorstellen könne."
Wie kommt unsere Gesellschaft mit einem "zarten Mann", einer hochsensiblen Persönlichkeit überhaupt zurecht? Das generelle Männerbild ist trotz aller Erweiterungen - vor allem aus der letzten Zeit - anders. Viele Romane und Liebesfilme spiegeln es, indem sie Männer als dominante Eroberer von Frauen beschreiben. Wer einmal lesend einem totalen Gegenentwurf begegnen möchte, ist in Tess Tylers Roman gut aufgehoben. Indem die übliche Perspektive vermieden wird, erweitert sich die eigene, wächst Verständnis, entwickelt sich Toleranz. Denn Männer wie Mason sind selten, wertvoll – und überaus empfindlich. Mit denen muss frau behutsam umgehen - oder die Beziehung fährt vor die Wand.
Mir hat es gefallen, einmal aus den üblichen Denkmustern in Bezug auf das Dominanzgebaren von Männern beim Umgang mit einer Partnerin herausgerissen zu werden. Ich fand die Hauptfigur absolut sympathisch, auch wirklich bedenkenswert, denn ein Mann wie Mason lässt Frauen sehr viel Spielraum zur Eigenständigkeit und zur persönlichen Entwicklung – beides Dinge, die heute leider immer noch nicht selbstverständlich sind, global betrachtet schon gar nicht.
Mason selbst zahlt einen hohen Preis für seine dünne Haut: Seine Empfindlichkeiten treiben ihn an den Rand des Suizids. Genau hier entwickelt der Roman einen interessanten Spannungsbogen, denn um das Äußerste zu verhindern, muss Edna ab einem gewissen Punkt schnell und entschlossen handeln, während das Leben ihres Mannes am seidenen Faden hängt – was sich beim Lesen des Werks als wirklich fesselnd erweist.
Die Konstruktion
Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt, die sich quasi aufeinander zu bewegen. Es gibt eine (beinahe heute spielende) Gegenwartsebene, die sich chronologisch fortentwickelt; Rückblenden vermitteln die nötigen Kenntnisse über die Vergangenheit, die zu den gegenwärtigen Ereignissen überleiten. Da die Rückblenden zeitlich ebenfalls chronologisch serviert werden, kollidieren sie ganz am Ende des Werks quasi mit der Gegenwartsebene. Die Konstruktion lässt sich mühelos verfolgen, da die Kapitel mit Daten überschrieben sind – ich muss als Leserin nicht rätseln, "wo" ich mich gerade befinde. Mir hat die Konstruktion sehr gut gefallen, denn auch sie trägt dazu bei, Spannung aufzubauen.
Die Sprache
Ich habe das Werk mit echtem Genuss gelesen. Obwohl oder gerade weil hier ganz große Themen wie Leben und Tod, Liebe und Beziehungen zwischen einzelnen Menschen sowie innerhalb einer Familie und der elementare Wunsch nach Kindern behandelt bzw. besprochen werden, bleibt die Ausdrucksweise überall unkompliziert. Schnörkellos. Daraus entwickelt sich für mein Empfinden eine gewisse Eindringlichkeit der in dieser Geschichte enthaltenen Botschaften. Die werden klar und deutlich artikuliert, und zwar von verschiedenen Protagonisten, wodurch immer wieder die Perspektive wechselt und eine neue Facette zum Vorschein kommt, ohne dass der Roman zu bevormundenden Urteilen oder gar Ratschlägen führt. Gerade diese Unverbindlichkeit gefällt mir gut. Ich bekomme unterschiedliche Denkanstöße serviert – welchen ich mich anschließe oder welche ich in mein Leben integriere, bleibt ganz allein mir überlassen. Aus dieser Form des Umgangs mit den elementaren Lebensfragen spricht meinem Empfinden nach eine große Reife vonseiten der Verfasserin des Werks: Sie hat gründlich (und wahrscheinlich lange) darüber nachgedacht, wie sie ihre Geschichte angemessen erzählt, und ist für mein Empfinden zu einem ausgezeichneten Ergebnis gekommen. Nebenbei und angenehm: Der Ausdruck ist variabel, Rechtschreibung und Zeichensetzung sind ausgesprochen korrekt. An dieser Stelle ein Kompliment nicht nur an die Autorin, sondern auch an das Lektorat!
Das Familiengeheimnis
Masons Familie ist – mal wieder, *seufz* – eine, in der nicht geredet, sondern geschwiegen wird. Kennen wir, denn das ist ein weit verbreitetes Übel.
Zitat: „Das war die Devise in dieser Familie: Den Mund halten und Geschehenes wird ungeschehen gemacht. Wegsehen. Sich bloß nicht einmischen ..."
Die meisten Familien (und viele Paarbeziehungen) funktionieren nach genau diesem Muster – irgendwie, aber meist nicht lange bzw. nicht gut.
Angesichts der sehr variablen Familienmodelle, die heute gelebt werden, angesichts der Unverbindlichkeit sexueller Kontakte und im Hinblick auf deren u. U. buchstäblich langlebige Folgen sehe ich hier – vielleicht hoffnungslos altmodisch – ein großes, potenziell wachsende Konfliktpotenzial auf uns zukommen: Herkunft spielt eine Rolle. Stellvertretend für wahrscheinlich Viele beschreibt Tess Tyler es so: "Mason konnte nicht erfassen, was genau es war, das ihn am meisten störte. Dass seine Herkunft unsicher war, dass seine Mutter niemals die Karten offen auf den Tisch gelegt hatte – falls sie überhaupt wusste und es sie kümmerte, wessen Sohn er war ..."
Ich denke, es ist wichtig, hier ganz bewusst Wege und Formen zur Kommunikation zu entwickeln - und zu pflegen. Der Roman mag diesbezüglich sensibilisieren.
Ruhe - ein zentraler Begriff
Ganz zuletzt (Die Rezension ist schon wieder viel zu lang geworden - aber es lässt sich sooo viel über das Buch sagen!) noch ein Blick auf einen Begriff, der in meinen Augen eine bedeutende Rolle im Roman spielt: Ruhe.
Drei attraktive Frauengestalten - verbreiten Unruhe in der Story: Masons tatkräftige Frau Edna, seine Großmutter Maria und seine extrem umtriebige, weil sexsüchtige Mutter Cameron. Jede auf ihre Art eine femme fatale. Ihr Verhalten hat Auswirkungen – ja, es wirkt sogar in gewisser Weise tödlich, denn beispielsweise Masons Vater findet sein Leben angesichts des Verhaltens seiner Frau Cameron allmählich sinnlos ... und beendet es.
Ruhe ist wichtig. Dem einen fällt es schwerer als dem anderen, sie zu finden. Mason ist diesbezüglich z. B. sehr widersprüchlich aufgestellt: Seine hohe Sensibilität sorgt dafür, dass ständig etwas ihn reizt (neurologisch gesprochen); sein Mangel an innerem Antrieb lässt ihn eher passiv durchs eigene Dasein treiben. Aus dem Widerspruch ergibt sich ein schwer zu ertragendes Spannungsfeld - das möglicherweise durch seine Zwangshandlungen unbewusst besänftigt werden soll, denn was schablonenhaft wiederholt wird, schenkt wiederum Ruhe ... Edna beispielsweise sorgt dafür, dass sie ständig beschäftigt ist, treibt ihre Karriere voran, denn sie fürchtet sich förmlich davor, an einen Ruhepunkt zu gelangen – und hat ihn doch in Mason längst gefunden.
Ruhe ist wichtig. Für jeden von uns. Werden wir unfähig zu ruhen, zieht das böse psychologische und physiologische Konsequenzen nach sich. Auch hier serviert der Roman Fallbeispiele – indem der Umgang der beinahe kammerspielartig arrangierten Protagonisten mit unserer Angewiesenheit auf Ruhe geschildert wird.
>>>FAZIT
Lesen. Unbedingt! Eine Liebeserklärung an das Leben. Eine Warnung vor dem, was es unerträglich machen kann oder gefährdet. Unaufdringlich, aber eindringlich, außerdem facettenreich. Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Und sogar echte Spannung, denn wo starke Gefühle wirken, entsteht immer Spannung! Daher gerne 5 Sterne. ⭐ ⭐⭐ ⭐ ⭐
Ein paar passende #Hashtags zum Roman
#biografischerRoman
#bookstagram
#bookstagramdeutschland
#bookstagramgermany
#buchbesprechung
#bücherliebe
#buchkritik
#ebook
#familiengeheimnis
#familiengeschichte
#leseempfehlung
#lesenMitHerz
#Lesetipp
#liebesroman
#rezension
#romance
#romanempfehlung
#ute.kunz
#digitalpublishers

Technische Daten zum Buch / Impressum
Erstausgabe März 2025
Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
Made in Stuttgart with ♥
Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-3-98998-410-3
Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-497-4
Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © teerawit Montage von Haus und Hintergrundelementen aus mehreren Bilder, die mit Adobe Firefly generiert wurden
Lektorat: Sandra Florean
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Dieses Buch basiert auf wahren Begebenheiten. Namen, Dialoge und einzelne Szenen wurden zum Teil aus dramaturgischen Gründen angepasst oder ergänzt. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Ereignissen sind daher nicht immer zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Unser gesamtes Verlagsprogramm findest du hier
Folge uns, um immer als Erste:r informiert zu sein
🔊 Und hier die Buchkritik zu "Liebe auf Umwegen" von Tess Tyler
Teil 1 der Rezension
Teil 2 der Rezension
Folge mir auf Spotify und verpasse keine neuen Beiträge mehr!
Du hörst dir Rezensionen gern an? Dann klick das Spotify-Symbol an, um dort meinen Beiträgen zu folgen:
Herzlichen Dank an dp!
Die DIGITAL PUBLISHERS GmbH hat mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt, wofür ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte! 😘
↗️ Ute Kunz schreibt unter dem Pseudonym Tess Tyler. Wer auf die Grafik klickt, gelangt zum Instagramaccount der Autorin.
Kommentar hinzufügen
Kommentare